Rückgang der Straftaten und gesellschaftliche Herausforderungen im Ländervergleich
Am Mittwoch, den 12.3.2025, stellte NRW-Innenminister Herbert Reul die aktuelle Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) 2024 vor. Die Ergebnisse geben nicht nur Aufschluss über die Entwicklung der Kriminalität in Nordrhein-Westfalen, sondern spiegeln auch den Zustand unserer Gesellschaft wider – wie Reul betonte: „Die Statistik spuckt aus, wie es um unsere Gesellschaft steht.“
Rückgang der Gesamtzahlen und Verbesserungen bei der Aufklärungsquote
In Nordrhein-Westfalen wurden im vergangenen Jahr knapp unter 1,4 Millionen Straftaten erfasst – genauer 1.398.652 Fälle –, was einen leichten Rückgang von etwa einem Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass der steile Anstieg der Nach-Corona-Jahre erfolgreich ausgebremst wurde. Zudem gelang es den Ermittlern, mehr als die Hälfte aller Fälle – 53,5 Prozent – aufzuklären. Dies ist die zweitbeste Aufklärungsquote seit 1962 und verdeutlicht den engagierten Einsatz der Polizei, für die sich Reul ausdrücklich bei allen Einsatzkräften, ob mit oder ohne Uniform, bedankt.
Veränderungen in den einzelnen Deliktbereichen
Die Statistik zeigt, dass in einigen Bereichen erfreuliche Rückgänge erzielt wurden. So sank die Zahl der Straftaten im Bereich des allgemeinen Diebstahls um 1,3 Prozent, während Ladendiebstähle um 5,1 Prozent und Raubdelikte um 7,3 Prozent rückläufig verzeichnet wurden. Auch der Waren- und Warenkreditbetrug ging um 6,4 Prozent zurück. Diese Abnahmen unterstreichen die Wirksamkeit präventiver Maßnahmen und polizeilicher Aktivitäten in diesen Bereichen.
Gleichzeitig sind jedoch auch Bereiche zu nennen, in denen die Zahlen gestiegen sind. So nahm die Zahl der Wohnungseinbrüche um 5,2 Prozent zu – ein Warnsignal, das trotz der insgesamt niedrigeren Fallzahlen alarmiert. Bei den Körperverletzungen wurde ein Anstieg von 1,7 Prozent festgestellt, während Cybercrime um 7,8 Prozent zulegte. Besonders auffällig ist dabei der Bereich der Messergewalt, in dem die registrierten Fälle um mehr als 20 Prozent auf 7.295 Fälle anstiegen.
Opferzahlen, Tatverdächtige und delikate gesellschaftliche Themen
Landesweit wurden im Berichtsjahr 325.897 Opfer von Straftaten registriert. Bei etwa einem Prozent dieser Fälle – genauer 3.172 – kam es zu schweren Verletzungen, und insgesamt wurden 306 Menschen getötet. Die Ermittlung von Tatverdächtigen weist ebenfalls interessante Entwicklungen auf: So konnten bei Straftaten mit ausländerrechtlichen Verstößen insgesamt 493.389 Verdächtige ermittelt werden – ein Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber 2023. Bei Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße lag die Zahl bei 474.123, wobei nichtdeutsche Verdächtige 35,6 Prozent ausmachten.
Auch die Altersverteilung zeigt, dass in allen Gruppen die Zahl der Verdächtigen gesunken ist. Besonders bei unter 21-Jährigen sank die Zahl um 7,4 Prozent auf 99.984. Allerdings wurde bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung ein Anstieg der Verdächtigen im Bereich der Kinder um 8,5 Prozent und bei Jugendlichen um 2,1 Prozent festgestellt, was auf spezifische
Herausforderungen in diesem Deliktsbereich hinweist.
Die Gewaltkriminalität insgesamt ging leicht um 0,4 Prozent zurück – 55.600 Fälle wurden hier erfasst, wobei in rund drei von vier Fällen die Täter ermittelt werden konnten. Betrachtet man jedoch einen Zehnjahresvergleich, so zeigt sich ein Anstieg um 20 Prozent in diesem Deliktspektrum. Zudem fällt auf, dass bei Gewaltdelikten ein überproportional hoher Anteil der Opfer (34,3 Prozent) und Tatverdächtigen (41,8 Prozent) nichtdeutscher Herkunft ist, obwohl diese Bevölkerungsgruppe nur 16,1 Prozent ausmacht.
Im Bereich Mord und Totschlag wurden 479 Delikte registriert, von denen in 346 Fällen lediglich ein Versuch vorlag. Die beeindruckende Aufklärungsquote von 93,1 Prozent unterstreicht die Effizienz der Ermittlungsarbeit – allerdings verfügte etwa die Hälfte der 674 Tatverdächtigen über keinen deutschen Pass. Bei den Sexualdelikten gingen die registrierten Fälle um 5,8 Prozent auf 30.600 zurück, wobei die Aufklärungsquote mit rund 80 Prozent weiterhin hoch bleibt.
Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung und weitere Entwicklungen
Ein weiterer wichtiger Befund der PKS 2024 betrifft die Rauschgiftkriminalität. Die Delikte in diesem Bereich gingen um 34 Prozent zurück – ein Rückgang, der maßgeblich als Effekt der kürzlich umgesetzten Cannabis-Legalisierung interpretiert wird. Diese Maßnahme scheint die Polizei in diesem Deliktsfeld deutlich zu entlasten.
Im Bereich Cybercrime wurden 22.800 Fälle erfasst, was einem Anstieg von 7,8 Prozent entspricht und zu einer geschätzten Schadenssumme von über 32,5 Millionen Euro geführt hat. Diese Zunahme verdeutlicht die wachsende Bedeutung digitaler Angriffe, die auch zukünftig eine der größten Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden darstellen.
Ländervergleich: Vertiefende Betrachtung bundeslandspezifischer Entwicklungen
Die Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen fügen sich in einen bundesweiten Trend ein, der auch in anderen Bundesländern ähnliche Herausforderungen offenbart:
Bayern: Auch in Bayern sind Rückgänge bei Diebstahl- und Raubdelikten zu verzeichnen, jedoch nehmen Cybercrime und Messergewalt in einigen Regionen, insbesondere in urbanen Zentren und Grenzgebieten, zu. Die ländlichen Regionen stehen vor besonderen Herausforderungen bei der schnellen Reaktion und Aufklärung von Einbrüchen, was die Notwendigkeit regional angepasster Sicherheitskonzepte unterstreicht.
Baden-Württemberg: In Baden-Württemberg überzeugen die Aufklärungsquoten in vielen Bereichen – vor allem bei Gewaltdelikten und Sexualstraftaten – durch hohe Effizienz der Ermittlungsbehörden. Dennoch wird auch hier ein Anstieg bei Cybercrime und Einbruchsdelikten festgestellt, der den fortschreitenden Digitalisierungseffekt widerspiegelt. Die staatliche Unterstützung für innovative Sicherheitsstrategien spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Niedersachsen:
Niedersachsen kämpft, ähnlich wie NRW, mit einer Zunahme von digitalen Angriffen und Messergewalt. Darüber hinaus weisen sozioökonomische Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten hier verstärkt zu spürende Auswirkungen auf die Kriminalitätsbekämpfung auf. Die strukturellen Herausforderungen in einigen Regionen erfordern verstärkte präventive Maßnahmen und eine engere Zusammenarbeit von Polizei und Kommunen.
Hamburg: Als Stadtstaat sieht sich Hamburg vor allem den urbanen Herausforderungen ausgesetzt. Die hohe Bevölkerungsdichte und internationale Vernetzung führen zu vermehrten Fällen von Cybercrime und Diebstahl. Hier müssen die Behörden innovative Strategien entwickeln, um die rasanten technologischen Entwicklungen und die damit einhergehenden neuen Kriminalitätsformen zu bewältigen.
Neue Bundesländer (z. B. Sachsen und Brandenburg): In den neuen Bundesländern werden teils strukturelle Herausforderungen sichtbar. In Sachsen etwa erschweren regionale Unterschiede und infrastrukturelle Engpässe eine einheitliche Kriminalitätsbekämpfung, während in Brandenburg der demografische Wandel und mangelnde Integrationsangebote in bestimmten Regionen das polizeiliche Handlungsspektrum zusätzlich belasten. Diese Faktoren führen dazu, dass hier in einigen Bereichen spezifische Sicherheitskonzepte entwickelt werden müssen, um den regionalen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Differenzierte Betrachtungen
Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2024 liefert ein differenziertes Bild: Einerseits zeigen sich in mehreren Bereichen, wie dem Diebstahl, Raub und dem Warenbetrug, rückläufige Tendenzen, andererseits nehmen Einbrüche, Körperverletzungen, Cybercrime und Messergewalt zu. Die Fortschritte, insbesondere die sehr guten Aufklärungsquoten, stehen den kontinuierlich wachsenden Herausforderungen gegenüber. Der länderübergreifende Vergleich macht deutlich, dass die Probleme der Kriminalitätsbekämpfung nicht auf ein einzelnes Bundesland beschränkt sind. Vielmehr spiegeln sie gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wider, bei denen neben der Polizei auch Erziehung, Schule und Integration maßgeblich zur langfristigen Sicherheit beitragen.
Innenminister Reul betont abschließend, dass die Polizei nicht nur die Symptome bekämpft, sondern dass ein umfassender gesellschaftlicher Ansatz notwendig ist, um den steigenden Anforderungen und den regionalen Besonderheiten gerecht zu werden. Die gewonnenen Erkenntnisse aus NRW und den weiteren Bundesländern liefern wichtige Anhaltspunkte für die zukünftige strategische Ausrichtung der Kriminalitätsbekämpfung in Deutschland.