Die erneute Großrazzia im Frankfurter Bahnhofsviertel zeigt vor allem eines: Wenn der politische Wille vorhanden ist, können Probleme auch entschlossen angegangen werden. Was Innenminister Roman Poseck als „hohen Kontrolldruck“ und „konsequente Linie“ beschreibt, wirkt – zumindest kurzfristig. 35 eingeleitete Strafverfahren, Festnahmen und die Abschiebung von Straftätern belegen, dass sich die lang ignorierte Szene nicht in Luft auflöst, sondern nur auf konsequentes staatliches Handeln gewartet hat.
Doch dieser Fortschritt wirft auch unbequeme Fragen auf. Warum mussten Bürger, Anwohner und Sicherheitskräfte so viele Jahre mitansehen, wie das Viertel zur offenen Bühne für Drogenhandel, Gewalt, Obdachlosigkeit und Elend wurde? Die Antwort liegt in einer Politik, die über Jahre hinweg weggeschaut, beschwichtigt oder ideologisch blockiert hat. Der Umgang mit dem Bahnhofsviertel war geprägt von politischer Lähmung, falsch verstandener Toleranz und der Weigerung, offensichtliche Fehlentwicklungen klar zu benennen.
Nun soll es der Polizei allein richten – mit beachtlichem Einsatz, aber ohne ausreichende politische Rückendeckung in Frankfurt selbst. Innenminister Poseck spricht die Zerrissenheit der Stadtpolitik offen an. Zu Recht. Denn solange einzelne politische Kräfte weiterhin an der Illusion festhalten, man könne Elend verwalten, statt es zu bekämpfen, bleibt jede Razzia Stückwerk.
Die Bilanz der bisherigen Großkontrollen stimmt vorsichtig optimistisch. Aber das Ziel muss weit über punktuelle Repression hinausgehen: Es braucht eine Gesamtstrategie, die Ordnung schafft, ohne soziale Verantwortung zu vernachlässigen. Prävention, Entzugsmöglichkeiten, Wohnraumpolitik – ja. Aber auch klare Grenzen für jene, die das Viertel als rechtsfreien Raum missbrauchen.
Ein „Weiter so“ ist keine Option mehr. Die aktuelle Entwicklung zeigt: Es geht, wenn man nur will. Doch wer zu lange gewartet hat, darf sich nicht wundern, dass Vertrauen erst mühsam zurückgewonnen werden muss.