Man stelle sich das einmal vor: Der Sandkasten, in dem sonst kleine Füßchen Burgen bauen, liegt plötzlich im Schatten von Nato-Stacheldraht. Kinder, die „Fangen“ spielen, drehen ihre Runden entlang eines Zauns, der aussieht, als würde er eher ein geheimes Militärlager schützen als einen Ort, an dem das Morgen der Gesellschaft heranwächst. Willkommen in St. Georg, dem vielleicht am besten gesicherten Kindergarten Deutschlands – oder ist es doch nur ein weiterer Schauplatz einer aus dem Ruder gelaufenen Realität?
Der Grund für die ungewöhnliche Maßnahme ist ebenso nachvollziehbar wie verstörend: Drogensüchtige haben das Gelände belagert, insbesondere Crack-Abhängige, die sich zwischen Schaukel und Rutsche verirren. Es ist eine Szenerie, die weniger an Bullerbü als an die düstereren Kapitel von Großstadtleben erinnert. Und die Lösung? Nato-Draht. Ein Material, das eher an militärische Konflikte erinnert als an Kindergeburtstage mit bunten Ballons.
Das Ganze hat etwas Groteskes: Die Träger der Kita schützen ihre Schützlinge – und das so konsequent, dass man sich fragt, ob man bei der Anmeldung demnächst auch einen Fingerabdruck abgeben muss. Vielleicht ein Sicherheitscode für den Zugang zum Klettergerüst? Eltern, die mit kugelsicheren Westen in der Handtasche erscheinen? Willkommen im urbanen Alltag 2.0.
Natürlich lässt sich darüber streiten, ob der Draht die richtige Antwort ist. Aber wie weit sind wir gekommen, wenn man den Spielplatz mit Methoden sichern muss, die man sonst aus Krisengebieten kennt? Vielleicht ist das Signal, das von dieser Maßnahme ausgeht, genauso beunruhigend wie der Grund dafür. Denn hinter dem Draht steckt eine Kapitulation – vor gesellschaftlichen Problemen, die man lieber ignoriert, anstatt sie zu lösen.
Ein Vorschlag: Warum nicht gleich den gesamten Perimeter von Kindergärten aufrüsten? Schließlich hat die „PerimeterProtection“ in Nürnberg für alles eine Lösung, vom Einbruchschutz bis zur Drohnenabwehr. Vielleicht könnte man ja Störsender für Smartphones aufstellen, damit keine unangemessenen Videos gemacht werden. Oder Gesichtserkennung an den Toren – weil Sicherheit ja immer ein bisschen „Big Brother“ vertragen kann.
Kita mit Nato-Draht? Irritierend? Sicher. Aber notwendig? Vielleicht sollten wir uns fragen, ob wir den Draht nicht besser um die Probleme in unserer Gesellschaft wickeln sollten, anstatt um die Spielplätze der Kinder.
ML