Die kanadische Regierung hat dem chinesischen Technologiekonzern Hikvision den weiteren Geschäftsbetrieb untersagt und ordnet den vollständigen Rückzug des Unternehmens vom kanadischen Markt an. Als Begründung nennt Ottawa schwerwiegende sicherheitspolitische Bedenken. Mit diesem Schritt verschärft Kanada seinen Kurs gegenüber chinesischen Anbietern von Überwachungstechnologie – und geht dabei weiter als andere westliche Industriestaaten.
Die Entscheidung, die auf Grundlage einer nationalen Sicherheitsprüfung gemäß dem Investment Canada Act getroffen wurde, verpflichtet Hikvision Canada Inc. zur Beendigung sämtlicher Geschäftstätigkeiten sowie zur Schließung seiner Niederlassung. Zudem untersagt die Regierung ab sofort allen staatlichen Stellen den Erwerb von Produkten des Unternehmens. Bereits bestehende Installationen sollen systematisch überprüft und bei Bedarf zurückgebaut werden.
Nationale Sicherheitsinteressen im Fokus
„Unsere oberste Priorität ist der Schutz der kanadischen Bevölkerung und der kritischen Infrastruktur“, erklärte Industrieministerin Mélanie Joly bei der Bekanntgabe der Maßnahme. Man sei nach sorgfältiger Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass die weitere Präsenz von Hikvision in Kanada die nationale Sicherheit gefährde. Konkrete Details zur Gefährdungsanalyse nannte die Ministerin nicht.
Mit dem Ausschluss von Hikvision geht Kanada über bestehende Restriktionen anderer Länder hinaus. Zwar haben auch die Vereinigten Staaten bereits seit 2019 Sanktionen gegen den Konzern verhängt – jedoch ohne eine vergleichbar umfassende Marktverdrängung.
Hikvision kritisiert geopolitisch motivierte Entscheidung
Hikvision Canada wies die Vorwürfe in einer Stellungnahme entschieden zurück und sprach von einer „politisch motivierten“ Entscheidung, die nicht auf nachprüfbaren Sicherheitsbedenken beruhe. „Diese Maßnahme entbehrt einer sachlichen Grundlage und eines fairen Verfahrens“, heißt es in dem Statement. Das Unternehmen betont, dass seine Produkte internationalen Sicherheitsstandards entsprächen und keine Gefahr für Nutzer darstellten. Die Entscheidung sei aus Sicht Hikvisions Ausdruck einer generellen Voreingenommenheit gegenüber chinesischen Firmen im Westen.
Peking spricht von „ernsthaftem Eingriff“
Auch die chinesische Botschaft in Ottawa verurteilte das Vorgehen scharf. Die kanadische Regierung untergrabe mit ihrem Vorgehen nicht nur die Interessen chinesischer Unternehmen, sondern auch die Grundlage bilateraler Wirtschaftsbeziehungen, erklärte ein Sprecher. Man fordere Kanada auf, die Entscheidung zurückzunehmen.
Internationaler Kontext: Zwischen Cybersicherheit und Menschenrechten
Hikvision gehört zu den größten Herstellern von Videoüberwachungssystemen weltweit. Der Konzern steht seit Jahren unter internationaler Beobachtung – nicht nur wegen möglicher Cyberrisiken, sondern auch wegen mutmaßlicher Verstrickungen in Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Region Xinjiang, insbesondere im Zusammenhang mit der Überwachung der Uiguren.
In den USA ist das Unternehmen auf der sogenannten Entity List des Handelsministeriums geführt. Die Listung erschwert nicht nur den Zugang zu US-Technologie, sondern beschränkt auch die geschäftliche Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Partnern.
Signalwirkung für andere Märkte?
Mit dem nun verhängten Verbot setzt Kanada ein deutliches Zeichen. Beobachter werten die Maßnahme als möglichen Präzedenzfall für den Umgang westlicher Demokratien mit Anbietern sensibler Überwachungstechnologie aus autoritären Staaten. Gleichzeitig verdeutlicht der Fall die zunehmende Verflechtung von Wirtschaftspolitik, Technologie und Geopolitik – ein Spannungsfeld, das für Unternehmen wie Hikvision zu einem schwer kalkulierbaren Geschäftsrisiko wird.
Ob und inwieweit andere Staaten dem kanadischen Beispiel folgen, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Die Entscheidung Ottawas verschärft den technologischen Systemkonflikt zwischen dem Westen und China – und stellt multinationale Technologiekonzerne vor neue Herausforderungen in einem zunehmend fragmentierten globalen Markt.