Revolution in der Gepäckabfertigung: Wie Technologie, Standards und Zusammenarbeit die Luftfahrtbranche transformieren

Juni 24, 2025

Über die Entwicklungen und Herausforderungen im Gepäckmanagement der globalen Luftfahrt bis 2025

Einleitung: Historisches Hoch im Luftverkehr – und dennoch Fortschritte bei der Gepäckabfertigung

Im Jahr 2024 verzeichnete die globale Luftfahrt ein neues Rekordhoch: Mit 5,3 Milliarden Passagieren wuchs das internationale Reiseaufkommen um 8,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Trotz dieses massiven Wachstums gelang es der Branche, die Fehlleitungsrate von Gepäckstücken weiter zu senken – ein Ergebnis, das maßgeblich durch technologische Innovationen und neue betriebliche Standards getragen wird. Besonders in Europa zeigte sich ein beeindruckender Fortschritt: Die Fehlleitungsrate sank auf 12,3 Gepäckstücke pro 1.000 Passagiere – ein Rückgang um 26 % seit 2007 und eine klare Verbesserung gegenüber den 15,7 im Jahr 2022.

Diese Leistung ist nicht nur ein Indikator für die Anpassungsfähigkeit der Branche, sondern auch Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels im Gepäckmanagement – von einem reaktiven, oft fehleranfälligen System hin zu einer hochvernetzten, automatisierten Infrastruktur.

1. Fortschritt trotz Herausforderung: Eine globale Analyse

Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2024 wurden weltweit 36,2 Millionen Gepäckstücke fehlgeleitet, ein leichter Anstieg gegenüber 2023. Dennoch sank die Fehlleitungsrate auf 6,3 pro 1.000 Passagiere – eine Verbesserung von 8,7 % im Jahresvergleich und ein Rückgang von 67 % seit 2007.

Besonders bemerkenswert: 66 % der fehlgeleiteten Gepäckstücke konnten innerhalb von 48 Stunden zum Besitzer zurückgeführt werden, darunter 16 % sogar innerhalb von nur 12 Stunden. Dieses Ergebnis verdankt die Branche zu großen Teilen der verbesserten Verarbeitungskapazitäten und Echtzeit-Datenintegration über Plattformen wie SITA WorldTracer®.

2. Ursachen und Dynamik: Wo Gepäck verloren geht

Trotz aller Fortschritte bleibt verspätetes Gepäck ein zentrales Problem. 74 % der Fehlleitungen im Jahr 2024 waren auf Verspätungen zurückzuführen – insbesondere auf Umladungsfehler bei Anschlussflügen, die 41 % der verspäteten Gepäckstücke verursachten. Weitere häufige Ursachen: Ladefehler (16 %), Ticketierungsfehler (17 %) sowie betriebliche Störungen durch Zoll, Wetter oder Kapazitätsengpässe (10 %).

Ein signifikanter Unterschied zeigt sich zwischen Inlands- und internationalen Flügen: Während bei Inlandsflügen lediglich 1,9 Gepäckstücke pro 1.000 Passagiere fehlgeleitet wurden, lag die Rate bei internationalen Verbindungen bei 11,2 – ein Beleg für die Komplexität transnationaler Gepäcklogistik.

3. Technologischer Paradigmenwechsel: Vom Tracking zur Prävention

Die Branche setzt verstärkt auf Automatisierung, Künstliche Intelligenz (KI) und datengetriebenes Gepäckmanagement. Echtzeitverfolgung von Gepäckstücken ist auf dem Weg zum Branchenstandard: 42 % der Passagiere erhielten 2024 bereits Live-Updates, Tendenz steigend. Bis 2027 soll diese Zahl auf 82 % anwachsen. Fluggesellschaften und Flughäfen investieren massiv in digitale Schnittstellen, um die Sichtbarkeit entlang der gesamten Gepäckreise zu gewährleisten.

Ein besonders innovatives Beispiel ist die Integration von Apples „Share Item Location“-Funktion mit SITA WorldTracer®. Dadurch können Passagiere den Standort ihrer Apple AirTags direkt an die Airline übermitteln. Dies beschleunigt nicht nur die Rückführung, sondern verbessert auch die Erkennung und automatische Neubuchung fehlgeleiteter Gepäckstücke.

4. Neue Standards: Modern Baggage Messaging (MBM) als Gamechanger

Mit der Einführung von „Modern Baggage Messaging (MBM) Version 2“ im Jahr 2025 setzt die Branche auf eine neue Datenqualität. Der MBM-Standard baut auf der IATA-Resolution 753 auf, die eine lückenlose Nachverfolgung in vier Schlüsselschritten verlangt: Abgabe, Umladung, Ankunft und Rückgabe. Die neue Version ermöglicht jedoch nicht nur das Monitoring, sondern auch proaktive Maßnahmen durch bessere Datenintegration und Analysen in Echtzeit. Ziel ist es, die Fehlleitungsrate um weitere 5 % zu reduzieren.

5. Passagiererwartungen im Wandel: Vertrauen durch Transparenz

Der Wandel im Gepäckmanagement ist auch eine Reaktion auf steigende Kundenerwartungen. Passagiere vergleichen ihre Reiseerfahrung zunehmend mit digitalen Services wie Essenslieferungen oder Mitfahrdiensten – und erwarten vergleichbare Transparenz. 47 % wünschen sich Echtzeit-Tracking, 38 % erkennen den Mehrwert digitaler Gepäckanhänger. Studien zeigen: Mobile Tracking-Informationen stärken das Vertrauen in das Gepäcksystem erheblich und erhöhen die Bereitschaft, Gepäck aufzugeben.

Auch die Airlines ziehen nach: Derzeit bieten 66 % einen automatisierten Bag-Drop an; weitere 16 % wollen dies bis 2027 einführen. Gleichzeitig planen 65 % der Flughäfen den Ausbau biometrischer Self-Service-Bag-Drop-Systeme.

6. Wirtschaftliche Dimension: 5 Milliarden Dollar Kosten trotz Verbesserungen

Trotz technologischer Fortschritte verursachten Gepäckfehlleitungen 2024 noch immer Schäden in Höhe von rund 5 Milliarden US-Dollar. Diese Kosten setzen sich aus Kurierdiensten, Schadensabwicklung, verlorener Produktivität und erhöhtem Kundenserviceaufwand zusammen. Die wirtschaftliche Belastung unterstreicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Investitionen in Systeme, die nicht nur Fehler beheben, sondern verhindern.

7. Gepäck als Service – nicht als Problem

Die Rolle von Gepäck verändert sich im Kontext moderner Reiseketten. Flughäfen wie Red Sea International in Saudi-Arabien setzen bereits auf Check-in außerhalb des Terminals und Echtzeit-Tracking – betrieben durch Lösungen wie SITA Bag Journey. Die Zukunft gehört vernetzten, intelligenten Systemen, die Gepäck nicht mehr als logistische Herausforderung, sondern als integrierten Teil des Reiseerlebnisses begreifen.

SITA treibt diese Transformation aktiv voran. Nach der Übernahme von Materna IPS (Passagierabfertigung) und ASISTIM (Flugbetriebszentralen) 2024, arbeitet das Unternehmen daran, ein ganzheitliches Reiseökosystem zu schaffen – auch über die Luftfahrt hinaus, etwa durch die Expansion in Kreuzfahrt, Bahn und urbane Luftmobilität.

8. Nachhaltigkeit und Digitalisierung: Hand in Hand

Neben Effizienz und Kundenzufriedenheit rückt auch der Klimaschutz in den Fokus. SITA hat sich ambitionierte Emissionsziele gesetzt, die von der Science Based Targets Initiative (SBTi) anerkannt wurden. Intelligente Gepäcksysteme leisten hierbei einen Beitrag, indem sie Prozesse optimieren, Leerläufe vermeiden und so den Ressourcenverbrauch senken. Lösungen zur Treibstoffreduktion und zum nachhaltigen Flugbetrieb sind integraler Bestandteil der SITA-Strategie.

Fazit: Gepäckabfertigung im Umbruch – eine Branche erfindet sich neu

Die Luftfahrtbranche steht am Beginn einer neuen Ära der Gepäcklogistik. Angetrieben durch Digitalisierung, veränderte Passagiererwartungen und ökonomischen Druck, entwickelt sich das Gepäckmanagement von einer Quelle der Frustration zu einem Innovationsmotor. Echtzeit-Tracking, KI-gestützte Systeme und neue Standards wie MBM Version 2 sorgen für mehr Transparenz, Effizienz und Kundenzufriedenheit.

„Es geht nicht nur darum, Gepäck zu bewegen – es geht um Vertrauen“, bringt es Nicole Hogg von SITA auf den Punkt. Die Vision einer reibungslosen, nahtlosen und datenbasierten Gepäckreise ist greifbarer denn je. Damit rückt ein Ziel in greifbare Nähe, das lange als Utopie galt: kein verlorenes Gepäck mehr – selbst im größten Reiseansturm.

Quellen: SITA Baggage IT Insights 2025, IATA, SBTi, Unternehmensangaben von SITA, Daten von über 280 Fluggesellschaften weltweit.

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