Kriminelles Netzwerk soll Kulturgüter im großen Stil aus Balkanländern geplündert und illegal gehandelt haben
Am 19. November 2025 ist bulgarischen Strafverfolgungsbehörden in Kooperation mit Europol ein bedeutender Schlag gegen ein international agierendes Netzwerk gelungen, das mutmaßlich seit Jahren mit geplünderten Kulturgütern handelte. Die Aktion fand im Rahmen einer von Europol eingerichteten operativen Taskforce statt und wurde von Behörden aus Albanien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien und dem Vereinigten Königreich unterstützt. Die Einsätze wurden aus Koordinierungszentren in Sofia sowie bei Eurojust gesteuert; die Ermittlungen dauern an.
Auslöser: Fund von 7.000 Kulturgütern bereits 2020
Den Untersuchungen voraus ging eine Hausdurchsuchung in Bulgarien im Jahr 2020, bei der rund 7.000 Artefakte von herausragendem historischen und materiellem Wert sichergestellt wurden. Dabei handelt es sich überwiegend um griechisch-römische und thrakische Antiquitäten – einzigartige Stücke mit erheblicher kulturhistorischer Bedeutung. Da bei vielen Objekten Herkunftsnachweise fehlten oder zweifelhaft waren, entstand der Verdacht illegaler Ausgrabungen und widerrechtlicher Aneignung. Bis zum Abschluss der Ermittlungen lagern die Funde im Nationalen Historischen Museum in Sofia.
Ergebnisse des Aktionstages (19. November 2025)
- 35 Festnahmen in Bulgarien
- 131 Durchsuchungen in mehreren Staaten
- 1 in Albanien, 120 in Bulgarien, 3 in Frankreich, 3 in Deutschland, 4 in Griechenland
- über 3.000 beschlagnahmte Artefakte, darunter antike Gold- und Silbermünzen sowie weitere Antiquitäten
- geschätzter Gesamtwert: über 100 Millionen Euro
- zusätzliche Sicherstellungen: Kunstwerke, Waffen, Dokumente, elektronische Geräte, rund 50.000 Euro Bargeld und Anlagegold
Im Fokus steht ein sogenanntes High-Value Target (HVT), das im Verdacht steht, illegale Ausgrabungen in Bulgarien und benachbarten Balkanländern finanziert zu haben. Lokale Plünderer sollen dabei im Auftrag von Mittelsmännern gehandelt haben, die für das HVT tätig waren. Die 2020 sichergestellte Sammlung umfasst Objekte bis zurück ins 2. Jahrtausend v. Chr., darunter Masken, militärische Ausrüstung, Schmuck, Vasen, Rhytons und Trinkgefäße aus thrakischen und griechisch-römischen Kulturen.
Nur wenige Stücke verfügten über – teils fragwürdige – Herkunftsdokumente von Auktionshäusern und Galerien, vor allem aus Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den USA.
Europol-Taskforce deckt internationale Verbindungen auf
Auf Initiative Bulgariens richtete Europol im Juni 2024 eine operative Taskforce ein, um Informationsaustausch, Koordination und Analyse zu bündeln. Dadurch konnten Verbindungen zwischen Verdächtigen in mehreren Ländern aufgedeckt und weitere mutmaßlich illegal gehandelte Artefakte identifiziert werden. In mehreren der acht beteiligten Staaten wurden zudem neue Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zum Aktionstag entsandte Europol zwei Experten nach Sofia, die die transnationale Koordinierung unterstützten und operative und analytische Expertise einbrachten.
Regionale Verwundbarkeit: Warum der Balkan ein Hotspot für Kunstdiebstahl ist
Der Balkanraum und Italien gehören zu den kulturhistorisch reichsten Regionen Europas und beherbergen bedeutende archäologische Zeugnisse griechischer und römischer Geschichte. Dieses Erbe zieht seit Langem kriminelle Netzwerke an, die durch systematische Plünderungen, Diebstähle und illegale Ausgrabungen Objekte beschaffen und über den Kunstmarkt waschen.
Die Nachfrage nach hochwertigen Antiquitäten – sowohl von Sammlern als auch von Akteuren, die Gelder verschleiern wollen – verschärft die Lage zusätzlich. Komplexe Marktstrukturen und lückenhafte Herkunftsnachweise erschweren staatlichen Behörden die Nachverfolgung erheblich. Kriminelle Akteure nutzen diese Schwachstellen aus und schleusen sogar Artefakte aus Konfliktgebieten wie Syrien oder dem Irak in den globalen Kunstmarkt.
Schutz des kulturellen Erbes braucht internationale Kooperation
Die Zerschlagung des Netzwerks verdeutlicht erneut, wie stark illegaler Kunsthandel als transnationales Phänomen organisiert ist. Eine wirksame Bekämpfung setzt daher enge internationale Zusammenarbeit, den Austausch von Informationen und die konsequente Nachverfolgung von Provenienzen voraus. Nur so lässt sich das kulturelle Erbe Europas schützen und für kommende Generationen bewahren.


