Ergebnisse der ersten landesweiten Sicherheitsbefragung in Baden-Württemberg: Ein Blick auf die sicherheitspolitische Lage

Januar 17, 2025

Im Herbst 2023 wurde in Baden-Württemberg die erste landesweite Sicherheitsbefragung durchgeführt, die wichtige Erkenntnisse zum Sicherheitsempfinden und zur Kriminalitätserfahrung der Bevölkerung liefert. Mehr als 35.500 Bürgerinnen und Bürger aus 110 Gemeinden nahmen an der repräsentativen Studie teil, die vom Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg (KriFoBW) im Auftrag des Ministeriums des Innern, für Digitalisierung und Kommunen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Befragung bieten wertvolle Einblicke in die sicherheitspolitische Lage im Land und eröffnen Ansatzpunkte für künftige Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit.

Zentrale Ergebnisse der Befragung

1. Hohe Sicherheitswahrnehmung und Vertrauen in die Polizei: Die überwältigende Mehrheit der Befragten fühlt sich in Baden-Württemberg sicher. Rund drei Viertel der Teilnehmer gaben an, dass sie der Polizei und der Justiz grundsätzlich vertrauen. Dies ist ein positives Signal und deutet darauf hin, dass das Land in Bezug auf die objektive Sicherheit gut aufgestellt ist. Das Vertrauen in die Polizei spiegelt sich auch in der Wahrnehmung ihrer Arbeit wider: Fast 80 Prozent der Befragten loben die Polizei für ihre gute Arbeit bei der Aufklärung von Straftaten.

2. Polizeipräsenz und Aufklärungsarbeit: Ein weiteres zentrales Ergebnis der Befragung ist, dass die Polizei in der Wahrnehmung der Bevölkerung erreichbar und effektiv ist. Rund 75 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Polizei im Bedarfsfall schnell zur Stelle ist. Zudem attestiert eine Mehrheit der Befragten der Polizei eine gute Arbeit bei der Kriminalitätsaufklärung. Trotzdem gibt es in Bezug auf die Sichtbarkeit der Polizei noch Luft nach oben: Nur etwa die Hälfte der Befragten sieht die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum als ausreichend an. Dies könnte darauf hindeuten, dass insbesondere in städtischen Gebieten ein verstärktes Augenmerk auf die Präsenz von Polizeikräften gelegt werden sollte.

3. Unsicherheit im öffentlichen Raum und im Nahverkehr: Das Sicherheitsgefühl der Menschen variiert je nach Kontext. Besonders nachts und im öffentlichen Nahverkehr fühlen sich viele Befragte unsicherer als in ihrem Wohngebiet. Dies ist ein typisches Phänomen, das auch in anderen Studien zum Thema Sicherheit häufig beobachtet wird. Ein bemerkenswerter Unterschied zeigt sich dabei zwischen den Geschlechtern: Frauen geben an, sich im öffentlichen Raum häufiger unsicher zu fühlen als Männer. Dieses Ungleichgewicht sollte nicht nur in sicherheitspolitischen Überlegungen berücksichtigt, sondern auch in präventive Maßnahmen zur Förderung der subjektiven Sicherheit einfließen.

4. Digitale Kriminalität als wachsendes Problem: Ein bedeutendes Ergebnis der Befragung betrifft die Wahrnehmung von Kriminalität im digitalen Raum. Zwar fühlen sich rund 75 Prozent der Befragten im „Online-Raum“ sicher, jedoch zeigt sich ein deutlich anderes Bild bei der Nutzung sozialer Medien. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, sich in sozialen Netzwerken unsicher zu fühlen. Hier dürfte ein wachsender Handlungsbedarf bestehen, insbesondere im Bereich der Aufklärung und Prävention von Internetkriminalität, Cybermobbing und Datenmissbrauch.

5. Dunkelfeld und ungenügende Anzeigequoten: Besonders alarmierend ist die hohe Dunkelziffer bei Straftaten, die nicht zur Anzeige gebracht werden. So liegt die Anzeigequote bei Betrugsdelikten, wie etwa Anrufen oder SMS-Betrug, bei nur 22 Prozent. Im Bereich digitaler Straftaten, wie etwa Datenmissbrauch, wurden nur etwa 30 Prozent der Fälle gemeldet. Besonders gravierend ist die niedrige Anzeigequote im Bereich der sexuellen Belästigung und Bedrohung im Internet: Hier zeigt nur etwa 5 Prozent der Opfer eine Straftat an. Dies deutet darauf hin, dass viele Opfer entweder aus Angst, Scham oder Misstrauen gegenüber der Polizei keine Anzeige erstatten. Dies stellt eine signifikante Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden dar, die in ihrer Arbeit verstärkt auf die Öffnung dieser Dunkelfelder angewiesen sind.

Sicherheitspolitische Bewertung und Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse der Sicherheitsbefragung zeigen eine grundsätzlich positive Sicherheitslage in Baden-Württemberg, werfen jedoch auch drängende Fragen auf, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene adressiert werden sollten.

1. Stärkung der Polizeipräsenz und Sicherheitswahrnehmung: Um das Sicherheitsgefühl insbesondere in städtischen Gebieten und in der Nacht zu erhöhen, sollte die Polizei ihre Präsenz im öffentlichen Raum weiter ausbauen. Dies könnte durch verstärkte Streifenfahrten, eine erhöhte Sichtbarkeit in öffentlichen Verkehrsmitteln und eine stärkere Nutzung moderner Überwachungstechnologien erfolgen. Gleichzeitig ist es wichtig, die positive Wahrnehmung der Polizei durch regelmäßige Dialoge mit der Bevölkerung zu fördern und das Vertrauen weiter zu stärken.

2. Verbesserung der Bekämpfung von Cyberkriminalität: Die zunehmende Unsicherheit im digitalen Raum verlangt nach einer verstärkten Prävention und Aufklärung über die Risiken im Internet. Es sollte mehr in digitale Sicherheitsbildung investiert werden, insbesondere in Schulen und bei älteren Generationen, die häufig Ziel von Online-Betrug sind. Zusätzlich sollte die Polizei ihre Ressourcen auf die Bekämpfung von Cyberkriminalität ausweiten und dafür sorgen, dass auch digitale Straftaten konsequent verfolgt werden.

3. Erhöhung der Anzeigebereitschaft und Unterstützung von Opfern: Um die hohe Dunkelziffer bei Straftaten zu senken, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Opfer zu ermutigen, Straftaten anzuzeigen. Hierzu gehört die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutung von Anzeigen sowie die Förderung von Vertrauensverhältnissen zwischen Polizei und Bürgern. Insbesondere in Bereichen wie sexueller Belästigung oder Bedrohung im Internet sollte durch gezielte Aufklärungskampagnen und eine niedrigschwellige Anzeigemöglichkeit das Vertrauen in die Polizei gestärkt werden.

4. Geschlechterspezifische Sicherheitsmaßnahmen: Angesichts der unterschiedlichen Sicherheitswahrnehmung von Frauen und Männern im öffentlichen Raum ist es notwendig, speziell auf die Bedürfnisse von Frauen einzugehen. Dies könnte durch sichere, gut beleuchtete öffentliche Räume, die Förderung von Frauennotrufen und die Schaffung von Frauennetzwerken innerhalb der Polizei geschehen.

Fazit

Die erste Sicherheitsbefragung in Baden-Württemberg liefert wichtige Erkenntnisse über die Sicherheitslage im Land. Trotz der insgesamt positiven Wahrnehmung der Sicherheitslage gibt es klare Indikatoren für Handlungsbedarf, insbesondere im Bereich der digitalen Kriminalität, der Dunkelfeldaufklärung und der Förderung der Sicherheitsempfindung in bestimmten Bevölkerungsgruppen. Die Befragung sollte als wertvolle Grundlage dienen, um gezielte sicherheitspolitische Maßnahmen zu entwickeln, die sowohl die objektive Sicherheit als auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger weiter stärken.

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