Grenzüberschreitender Katastrophenschutz: Neuer Aktionsplan stärkt Zusammenarbeit zwischen Bayern und Tschechien

September 26, 2025

Politische Initiative bringt konkrete Projekte, digitale Vernetzung und gemeinsame Übungen für mehr Sicherheit im Grenzraum

Katastrophen machen an Landesgrenzen nicht Halt – Waldbrände, Hochwasser oder Blackouts bedrohen Menschen und Infrastrukturen gleichermaßen. Vor diesem Hintergrund haben Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Finanzstaatssekretär Martin Schöffel einen neuen Aktionsplan für die bayerisch-tschechische Zusammenarbeit im Katastrophenschutz vorgestellt. Ziel ist es, den grenzüberschreitenden Schutz bei Großschadenslagen noch enger zu verzahnen und die Zusammenarbeit der Einsatzorganisationen nachhaltig zu professionalisieren.

Der Plan basiert auf einer Risikoanalyse der Grenzregion, die mit 40.000 Euro aus EU-Mitteln gefördert wurde. Dabei wurden Schwachstellen in Kommunikation, Organisation und Technik identifiziert – und Lösungen erarbeitet, die nun in konkrete Projekte münden. Erste Erkenntnisse fließen bereits in die große deutsch-tschechische Waldbrandübung am 27. September im Raum Selb–Aš–Libá ein, an der mehr als 450 Einsatzkräfte teilnehmen.

Politische Dimension: Sicherheit als europäisches Gemeinschaftsprojekt

Mit dem Aktionsplan geht Bayern einen Schritt über die klassische Nachbarschaftshilfe hinaus. Schöffel betonte, dass „enge Zusammenarbeit gerade im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes nicht durch Grenzen und Zuständigkeiten ausgebremst werden darf“. Die politische Botschaft ist klar: Katastrophenschutz in Europa funktioniert nur, wenn nationale Systeme kompatibel sind.

Innenminister Herrmann unterstrich die Bedeutung des Projekts: „Schadenslagen und Katastrophen kennen keine Grenzen. Daher ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn im Brand- und Katastrophenschutz ein wichtiges Anliegen.“ Diese Perspektive macht deutlich, dass Katastrophenschutz zunehmend als Teil europäischer Sicherheitsarchitektur verstanden wird.

Technologische Perspektiven: Von Leitstellen bis Drohneneinsatz

Besonderes Augenmerk liegt auf der technischen Vernetzung. Künftig sollen tschechische Leitstellen direkt mit den Integrierten Leitstellen in Bayern gekoppelt werden. Das erlaubt im Ernstfall eine schnelle Alarmierung und Koordination ohne zeitintensive Umwege.

Auch der gemeinsame Einsatz moderner Technologien wird vorangetrieben:

  • Drohnen sollen zur Lageerkundung in schwer zugänglichem Gelände genutzt werden.
  • Flashover-Container ermöglichen realistische Trainingseinheiten für Feuerwehrkräfte.
  • Mobile 5G-Sender stellen sicher, dass auch in abgelegenen Regionen eine stabile Datenverbindung für Lagebilder, Sprach- und Videoübertragung vorhanden ist.

Der Generaldirektor der tschechischen Feuerwehr, Generalleutnant Vladimír Vlček, hob hervor: „Eine schnelle und effiziente Hilfeleistung können wir nur dann erreichen, wenn wir bei der Bewältigung von Notfällen koordiniert und gemeinsam effektiv vorgehen.“

Digitalisierung als Schlüssel für Effizienz und Resilienz

Ein zentrales Element des Aktionsplans ist die Digitalisierung im Katastrophenschutz. Die grenzübergreifende Risikoanalyse hat gezeigt, dass unterschiedliche Softwarelösungen, Funkstandards und Kommunikationsplattformen den Einsatz im Ernstfall bisher erschwert haben.

Durch die Vernetzung über digitale Schnittstellen soll künftig ein gemeinsames Lagebild in Echtzeit entstehen – von der Alarmierung über die Ressourcensteuerung bis hin zur Dokumentation. Mobile 5G-Sender und verschlüsselte Datenübertragungen ermöglichen die Übermittlung von Drohnen-Livebildern, Sensordaten oder GPS-Tracking von Einsatzkräften direkt an die Leitstellen beider Länder.

Darüber hinaus eröffnet die Digitalisierung neue Perspektiven für KI-gestützte Auswertung: etwa bei der Erkennung von Brandherden, der Simulation von Ausbreitungsszenarien oder der Optimierung von Evakuierungsrouten. Dies könnte in Zukunft auch den Schritt zu prognostischen Katastrophenschutzsystemen ebnen, die Gefahren nicht nur erfassen, sondern vorausschauend berechnen.

Praktische Umsetzung: Großübung als Belastungstest

Die Waldbrandübung im Rahmen der Bayerischen Feuerwehraktionswoche 2025 ist mehr als ein symbolischer Auftakt. Sie dient als realer Stresstest für die neue Zusammenarbeit. Im Fokus stehen gemeinsame Alarmierungswege, Kommunikation zwischen Einsatzleitungen, Luftunterstützung und die operative Zusammenarbeit an der Grenze.

Dabei wird erprobt, wie 450 Einsatzkräfte aus Bayern, Sachsen und Tschechien im Ernstfall zusammenspielen können – ein Szenario, das angesichts zunehmender Dürresommer und klimabedingter Vegetationsbrände jederzeit Realität werden kann.

Strategische Perspektiven: Blackouts, Kritis und Resilienz

Die Initiative hat Signalwirkung über den Brandschutz hinaus. Neben Waldbränden werden auch Blackouts und die Absicherung Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) in den Blick genommen. Mit Inkrafttreten des Kritis-Dachgesetzes und der anstehenden NIS2-Umsetzung steigt die Zahl der betroffenen Unternehmen erheblich – viele davon liegen in Grenzregionen.

Die Verzahnung von Katastrophenschutz und KRITIS-Schutz könnte dazu führen, dass grenzüberschreitende Übungen künftig nicht nur Waldbrand- oder Hochwasserszenarien, sondern auch längerfristige Stromausfälle oder Cyber-Folgen einbeziehen.

Perspektiven für Einsatzkräfte und Ehrenamt

Für die Feuerwehren und Hilfsorganisationen in Bayern und Tschechien bedeutet der Aktionsplan vor allem: mehr Professionalität, mehr Training und mehr Verantwortung. Herrmann betonte die Rolle des Ehrenamts: „Die hohe Einsatzbereitschaft unserer zumeist ehrenamtlichen Einsatzkräfte ist das Rückgrat unseres Hilfeleistungssystems. Dieses Engagement ist nicht selbstverständlich.“

Mit neuen Technologien, digitaler Vernetzung und grenzüberschreitender Ausbildung erhalten die Kräfte Werkzeuge, die den Einsatz sicherer und effizienter machen – gleichzeitig wächst der Anspruch an Ausbildung und Belastbarkeit.

Vom Pilotprojekt zur Blaupause für Europa

Der neue Aktionsplan ist mehr als ein regionales Projekt zwischen Bayern und Tschechien. Er steht exemplarisch für die Transformation des Katastrophenschutzes in Europa:

  • von national begrenzten Zuständigkeiten hin zu gemeinsamen Standards,
  • von klassischem Feuerwehreinsatz hin zu integrierter Technologie- und Digitalunterstützung,
  • und von reaktiven Maßnahmen hin zu präventiver Vernetzung und Resilienzplanung.

Wenn die geplanten Maßnahmen greifen, könnte der deutsch-tschechische Grenzraum zu einer europäischen Modellregion für digitalen, grenzüberschreitenden Katastrophenschutz werden – mit Potenzial für Übertragungen auf andere Grenzregionen der EU.

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