Symbolpolitik statt Lösungen: Die fragwürdige Strategie hinter den Großkontrollen im Frankfurter Bahnhofsviertel

Dezember 9, 2024

Die wiederholten Großkontrollen im Frankfurter Bahnhofsviertel im Rahmen der „Innenstadtoffensive“ werfen zahlreiche Fragen bezüglich ihrer Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und Nachhaltigkeit auf. Innenminister Roman Poseck betont den Erfolg der Maßnahmen, doch ein kritischer Blick zeigt, dass diese Strategie nicht nur begrenzt zielführend, sondern in vielerlei Hinsicht problematisch ist.

1. Eindimensionale Problembekämpfung

Die Schwerpunktsetzung auf repressive Maßnahmen wie Großkontrollen mag kurzfristige Ergebnisse zeigen, greift jedoch viel zu kurz, um die komplexen Probleme des Bahnhofsviertels zu lösen. Drogenkriminalität, Obdachlosigkeit und soziale Verwahrlosung sind keine reinen Sicherheitsfragen, sondern erfordern umfassende Ansätze, die auch soziale Hilfsprogramme, Präventionsarbeit und städtebauliche Maßnahmen einbeziehen.

2. Unklare Erfolgsmessung

Die Zahlen, die als Beweis für die Wirksamkeit der Offensive präsentiert werden, wirken oberflächlich beeindruckend, beleuchten jedoch nicht den langfristigen Effekt auf die Kriminalitätslage. Die Einleitung von Strafverfahren und die Sicherstellung von Drogen oder Waffen zeigen, dass Delikte vorhanden sind – sie erklären jedoch nicht, ob die Sicherheitslage insgesamt verbessert oder nur verlagert wird. Ohne belastbare Daten zu Wiederholungsraten und Prävention bleibt die Effektivität fraglich.

3. Stigmatisierung eines Stadtviertels

Die mediale Darstellung und die häufigen Kontrollen stempeln das Bahnhofsviertel zunehmend als „Problemzone“ ab. Diese Stigmatisierung schadet nicht nur den dort ansässigen Bewohnern und Geschäftsleuten, sondern erschwert auch Bemühungen, das Viertel langfristig aufzuwerten. Ein Fokus auf Zusammenarbeit mit Anwohnern und zivilgesellschaftlichen Akteuren könnte sinnvoller sein, um das Viertel nachhaltig zu stabilisieren.

4. Grundrechtliche Bedenken

Die Intensität und Häufigkeit der Kontrollen werfen Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf. Besonders betroffen sind häufig marginalisierte Gruppen, etwa Obdachlose, Drogenabhängige oder Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Die Durchsetzung von Aufenthaltsverboten und Abschiebungen mag gesetzlich gedeckt sein, könnte jedoch zu einer Verschärfung sozialer Probleme führen, anstatt diese zu lösen. Es entsteht der Eindruck, dass die Maßnahmen weniger zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beitragen, sondern primär symbolische Politik darstellen.

5. Polizeiliche Ressourcen und Prioritäten

Der massive Einsatz von Polizeikräften – etwa 150 Beamte bei einer einzigen Kontrolle – wirft Fragen nach der Priorisierung und Effizienz auf. Sind diese Ressourcen angesichts begrenzter Kapazitäten der Polizei sinnvoll eingesetzt? Könnten sie nicht besser für Präventionsarbeit oder zur Stärkung anderer Stadtteile genutzt werden? Eine ausgewogenere Verteilung der Ressourcen wäre wünschenswert.

Fazit

Die „Innenstadtoffensive“ mag politisch attraktiv erscheinen, da sie entschlossenes Handeln signalisiert. Dennoch bleibt unklar, ob sie langfristig wirksam ist oder lediglich kurzfristige Symptome bekämpft. Eine nachhaltige Strategie müsste die sozialen Ursachen der Probleme stärker adressieren und das Bahnhofsviertel nicht ausschließlich als Sicherheitsproblem behandeln. Andernfalls drohen diese Maßnahmen, eine Spirale aus Stigmatisierung, Verdrängung und Symbolpolitik zu perpetuieren, ohne den Bewohnern des Viertels wirklich zu helfen.

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