Hundert Start-ups und mehr als 120 fachlich hochkarätige Speaker: Das sind nur die „nackten“ Zahlen, mit denen das diesjährige MEDICA CONNECTED HEALTHCARE FORUM als etablierter Programmbestandteil der Medizinmesse MEDICA 2023 in Düsseldorf aufwartet. Zwei Finale von zwei Start-up-Wettbewerben finden in Düsseldorf statt: Bei der 12. MEDICA START-UP COMPETITION geht es am Dienstagnachmittag (14.11., ab 15 Uhr) um die gesamte Bandbreite an Innovationen für den Healthcare-Bereich: von Künstlicher Intelligenz (KI), über Health-Apps, Lösungen für die Labordiagnostik bis hin zu medizinischer Robotik. Erstmals in diesem Jahr neu hinzugekommen ist die Kategorie „Nachhaltigkeit“. Der 15. `Healthcare Innovation Worldcup´ setzt den Akzent dagegen am Montagnachmittag (13.11., ab 13 Uhr) bereits auf intelligente „Internet of Medical Things“-Lösungen (IoMT) wie z. B. digitale Biomarker, smarte Pflaster oder vernetzbare Wearables.
Die Vielfalt neuer Technologien kann dabei interessante Möglichkeiten eröffnen für die medizinische Versorgung zuhause. Das kommt auch dem Ziel der Bundesregierung entgegen. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Regierungsparteien sogar explizit zum stärkeren Ausbau der ambulanten medizinischen Leistungen bekannt. Was kann hier also moderne Medizintechnik leisten? „Alternative care delivery models – Balancing at-home technology, outpatient and clinical healthcare“ ist der Titel einer Forum-Session am Montag (13. 11., ab 15 Uhr). So verfolgt Prof. Martin Holderried in Tübingen innovative Ansätze. Der Geschäftsführer und Chief Medical Information Officer des Zentralbereichs am dortigen Universitätsklinikum wird seine Vorstellungen einer Patienten-zentrierten Qualitäts-fokussierten, digitalen und nachhaltigen Medizin skizzieren. Für ihn ist die Digitalisierung im Krankenhaus vor allem ein Organisationsentwicklungsprozess für alle Berufsgruppen und über alle Hierarchieebenen hinweg. Das betreffe nicht nur die IT.
Während Dr. Roland Strasheim, Marienhaus MVZ GmbH, erläutern wird, was bei medizinischen Versorgungsmodellen verbessert werden könnte, stellt Dr. Helmut Hildebrandt das Konzept so genannter „Mikro-Krankenhäusern“ vor. Neben seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG befasst er sich insbesondere mit der Konzeption und Entwicklung regionaler Gesundheitssysteme sowie mit deren Umsetzung in deutschen, aber auch europäischen Regionen. Er prägt die Diskussionen über Managed-Care-Programme zum Beispiel im „Gesunden Kinzigtal“, bei denen möglichst alle Heilberufe „an einem Strang“ ziehen. „Die dezentrale Wundversorgung“ ist dann ein spezielleres Thema des Vortrags von Dr. Sebastian Kersting vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie. Anschließend zeigen Start-ups und Scale-ups wie `Skylabs´ und `Garmin´ ihre Lösungen beispielsweise im Bereich der 24h-Blutdruckmessung und der Patientenfernüberwachung.
Robotik zur Alltagsbewältigung und KI als „Multitalent“
Mit Robotik startet der Dienstag (14.11., ab 11 Uhr). Prof. Robert Riener, von `Sensory-Motor Systems Lab´ und der ETH Zürich, initiierte „Cybathlon“. Das ist der Name einer Plattform, um die Forschung im Bereich alltagstauglicher Assistenzsysteme voranzutreiben und den Dialog mit der Öffentlichkeit über Inklusion von Menschen mit Behinderung im Alltag zu fördern. Dr. Jaime Duarte, Mitgründer der `MyoSwiss´, wird in seiner Forum-Präsentation ein tragbares Exoskelett vorstellen, das als „E-Bike für die Beine“ genutzt werden kann.
Prof. Paul Lukowicz, Leiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, widmet sich dann als einer der weltweit renommiertesten KI-Experten der Bedeutung von „ChatGPT“ und großer Sprachmodelle (large language model; LLM) für die Zukunft des Gesundheitswesens. Seine Einschätzung dazu lässt sich klar definieren: KI in der Medizin solle immer dann eingesetzt werden, wenn durch ihren Einsatz die Wahrscheinlichkeit erhöht werde, dass ein medizinischer Eingriff erfolgreich sei und sie so dem Menschen diene. Beim MEDICA CONNECTED HEALTHCARE FORUM gibt er (am 14.11.) ein Update dazu. Speaker namhafter Unternehmen wie GE Healthcare, Philips, Huawei, NextOR, Jeios und Biotronik werden passend dazu umreißen, welche Rolle bereits jetzt KI spielt – zum Beispiel wird sie bei Biotronik zur Vorhersage von Ereignissen im Kontext der Herzinsuffizienz eingesetzt – und wie es (wahrscheinlich) weitergeht.
Der Nachmittag steht anschließend ganz im Zeichen der 12. MEDICA START-UP COMPETITION, bei der ab 15 Uhr zwölf Finalisten aus verschiedenen Kategorien um den Sieg pitchen. Und nach den vielen spannenden Präsentationen wird ein Get-together, die MEDICA START-UP NIGHT, Gelegenheit für entspanntes Networking mit der jungen Gründerszene bieten.
Wege zu mehr Nachhaltigkeit
Der Gesundheitssektor gehört zu den größten Verbrauchern von Ressourcen und verursacht ein hohes Müllaufkommen. Maßnahmen diesbezüglich können demnach besonders wirksam sein, wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen geht. Mit der Forum-Session „Sustainability in Healtcare – Creating green healthcare initiatives for a positive impact on the environment“ und einem Beitrag von Prof. Edda Weimann startet der Mittwoch (15.11., um 11 Uhr) beim MEDICA CONNECTED HEALTHCARE FORUM. Prof. Weimann ist Direktorin des Geneva Sustainability Centre. Sie verfügt über langjährige Erfahrung hinsichtlich der Thematik, wie Klimaneutralität von Kliniken erreicht werden kann. Die Vision des Start-ups Resourcify mutet geradezu revolutionär an. Das Entwicklerteam will eine abfallfreie Zukunft ermöglichen, getragen von Technologiefortschritten. Wie sie sich das vorstellen, das wird Meike Lessau, Head of Circularity bei Resourcify, konkretisieren.
„Big emotions“ und ihr Nutzen für die Therapie
Mit Abläufen im Gehirn, mentaler Gesundheit und Neurowissenschaften beschäftigt sich ein Symposium am Mittwoch (15.11., ab 12:30 Uhr). Prof. Malek Bajbouj, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité, forscht daran, wie Emotionen, emotionales Gedächtnis und emotionale Kompetenzen im menschlichen Gehirn repräsentiert werden und wie dies zu therapeutischen Zwecken sich beeinflussen lässt.
Mit seiner Arbeit überschreitet Prof. Bajbouj dabei die klassischen Grenzen zwischen psychotherapeutischen, psychopharmakologischen und neuromodulatorischen Verfahren. Ähnlich innovativ sind auch die jungen Unternehmen `Earable Neuroscience´, `Finetech und `Living brain´. So wird Julian Specht, Mitgründer von Living Brain, einen spannenden Einblick geben, wie immersive virtuelle Realität in der Neurorehabilitation eingesetzt werden kann. Das Ziel dabei: Die Interaktion mit einer virtuellen Umgebung soll ein wirklichkeitsnahes Training ermöglichen, das in einer sicheren Umgebung abläuft – zum Wiedererlernen von Alltagsaktivitäten bei einem reduzierten damit sonst einhergehenden Gefahrenlevel.
Health Metaverse & Co.: der medizinische Nutzen von Realitätserweiterung
Der Forum-Mittwoch (15.11., ab 14 Uhr) widmet sich der Zukunft einer immersiven Gesundheitsversorgung. Dann dreht sich alles um das Health Metaverse durch erweiterte bzw. virtuelle Realität (AR/VR), digitale Zwillinge und ähnlichen Technologien. Tibor Mérey von der Boston Consulting Group wird schildern, was hier bereits jetzt möglich ist und wie die nächsten Schritte aussehen könnten. Er ist Partner & Managing Director der Boston Consulting Group und bringt Erfahrungen aus zahlreichen Metaverse-Projekten mit. Mérey wird schildern, wie sich „golden use cases“ identifizieren lassen. Dazu zählen etwa das Training und die medizinische Ausbildung. Das Unternehmen `FundamentalVR´ nutzt in diesem Kontext virtuelle Realität, um die physischen Signale, die Haptik chirurgischer Eingriffe, medizinischer Instrumente und Gewebevariationen nachzuahmen. Chirurgen sehen dabei die gleichen Bilder, hören die gleichen Geräusche und haben vor allem auch das gleiche Gefühl wie bei einem echten Eingriff. Richard Vincent, CEO & Mitgründer von FundamentalVR, wird auch darauf eingehen, wie das Verfahren eingesetzt werden kann, um Produktneuheiten einzuführen.
Notfallmedizin, Diagnostik, Zusammenarbeit im Team und Anatomie – das sind Bereiche für die `i3´ virtuelle Simulationen anbietet. DeviKolli, Mitgründer und CEO von i3 Simulations, wird in seinem Forumbeitrag einen Einblick in die Anwendungen geben. Auf die `Hololens´ von Microsoft setzt indes das Entwicklerteam `AnimaRES´. Die damit erweiterte Realität ermöglicht es beispielsweise, Herz und Lunge von allen Seiten zu betrachten – und zu erlernen. Pablo Olmos von AnimaRES wird auf solche Best Practices näher eingehen. Ebenfalls im Bühnenprogramm am Mittwoch mit dabei sind Startups wie die Corbit GmbH, die eine „TeleCare“-Station für die teleunterstützte Pflege zuhause anbieten – und damit ebenfalls im Trend zur Ambulantisierung der Medizin liegen. Wie das eigene Heim zum neuen „Point-of-Care“ werden könnte, wird Siad Saymé, Mitgründer und CEO von Corbit, aufzeigen. Corbit präsentiert seine Neuentwicklungen auch während der kompletten Messelaufzeit auf der Fläche des MEDICA START-UP PARKs, der in diesem Jahr eine neue Rekordbeteiligung von 50 Beteiligungen zählt.
Elektronenmikroskop „für die Hosentasche“ – Einblicke in die internationale Start-up-Szene
Der Schlusstag des Forums (16.11.) bietet weitere Gelegenheiten für das internationale MEDICA-Fachpublikum, sich über neueste Entwicklungen aus der Start-up-Szene zu informieren. Die Themen sind dabei so vielfältig, wie es die jungen Unternehmen sind. Um Diagnostik und Gesundheitsmonitoring geht es etwa ab 11 Uhr, wenn Entwicklungen aus Singapur, Spanien und der Türkei präsentiert werden. Danach empfiehlt sich auch die Vorstellung einer neuen Entlassmanagement-Plattform durch Mathias Schmon, CEO der Nubedian GmbH. Er wird damit ein Beispiel geben für eine sektorübergreifende, webbasierte Vernetzung ambulanter und stationärer Prozesse im Sinne einer optimalen Übergabe von Patientinnen und Patienten in eine Nachfolgebehandlung nach einem Klinikaufenthalt.
Beim zum Forum benachbarten MEDICA START-UP PARK (Halle 12) mischen deutsche Start-ups ebenfalls kräftig mit. Das gilt etwa auch für `Meiluft´. Ihr „Elektronenmikroskop für die Hosentasche“ soll kleinste Teilchen in der Luft und in Flüssigkeiten helfen aufzuspüren. Eine schnelle Virenanalyse wird so möglich, was hinsichtlich der Verhinderung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten sehr hilfreich sein könnte. Insgesamt dient das Gerät der bildlichen Darstellung, Erkennung und Kategorisierung von Teilchen im Bereich von hundert Nanometern.
Die vielen Beispiele zeigen: Wer sich für digitale Gesundheitsinnovationen im Gesundheitsbereich interessiert, der kommt am Besuch der MEDICA 2023 und speziell auch der Neuheiten der vielen Start-ups nicht vorbei.
Direkt-Link zum MEDICA CONNECTED HEALTHCARE FORUM mit seinen Programm-Elementen: https://www.medica.de/mchf1.