33 Brandanschläge auf Kirchen in einem Jahr. Mehr als in jedem anderen EU-Staat. Das sind nicht nur beunruhigende Zahlen aus dem Oidac-Bericht – es sind Zeichen einer gesellschaftlichen Entwicklung, die wir viel zu lange unterschätzt haben. In Deutschland wird oft so getan, als seien Kirchen nur noch historische Kulissen oder touristische Kulissen. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum.
Kirchen und Gemeindehäuser sind Orte von Identität, Erinnerung und sozialem Zusammenhalt. Sie sind kulturelles Erbe, spirituelle Räume und oft die letzten offenen Häuser in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft. Und sie werden zur Zielscheibe – in Deutschland, in Frankreich, in Spanien. Europaweit wächst der Druck.
Die Wertedebatte, die wir nicht führen wollen
Die steigende Zahl antichristlicher Straftaten ist mehr als nur Kriminalstatistik – sie ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwertung religiöser Symbole.
Religion, insbesondere das Christentum, hat in Deutschland längst nicht mehr die Selbstverständlichkeit früherer Jahrzehnte. Aber bedeutet das, dass ihre Orte weniger schützenswert sind?
Ganz im Gegenteil:
Wenn eine Gesellschaft zulässt, dass heilige oder kulturell bedeutsame Räume beschädigt, entweiht oder verbrannt werden, dann verliert sie selbst ein Stück Orientierung.
Doch diese Diskussion findet kaum statt – weder in Talkshows noch in Parlamenten. Sie ist unbequem, weil sie Fragen nach Toleranz, Respekt und unserer kulturellen Identität stellt.
Technik ist notwendig – aber nie ausreichend
Die Wirklichkeit ist:
Viele Kirchen sind technisch kaum gesichert.
Keine Kameras, keine Frühbranderkennung, ungesicherte Zugänge, schlecht beleuchtete Außenbereiche.
Dabei wären die Mittel vorhanden:
– Intelligente Videoanalyse, die verdächtige Bewegungen erkennt
– Spezialsensoren, die in alten Dachstühlen Feuer im Sekundenbereich melden
– Smarte Beleuchtung, die Täter abschreckt
– Vernetzte Alarmierung direkt zur Polizei oder Leitstelle
Polizei und Staatsschutz betonen seit Jahren, dass Sakralgebäude gefährdet sind – doch es fehlen bundesweite Standards, klare Zuständigkeiten und politische Priorität.
Ein fataler Widerspruch:
Wir wissen um die Gefahr, handeln aber nicht systematisch dagegen.
Ohne Öffentlichkeit, ohne Nachbarschaft, ohne Zeugen – keine Sicherheit
Trotz aller Technik bleibt eines klar:
Kirchen leben mitten in unseren Städten und Dörfern. Sie sind Teil der Öffentlichkeit. Und ihre Sicherheit hängt auch von dieser Öffentlichkeit ab.
In Frankreich verhinderten Anwohner mehrfach Anschläge, weil sie ungewöhnliche Aktivitäten meldeten.
In Spanien führten Hinweise aus Nachbarschaften zur Festnahme mehrerer Tätergruppen.
Deutschland braucht diese Kultur der „öffentlichen Zeugen“ – Menschen, die hinschauen, statt wegzusehen.
Keine Selbstjustiz, kein Alarmismus. Aber aktive Aufmerksamkeit:
– Wer nachts Personen mit Werkzeug an einer Kirche sieht, ruft die 110.
– Wer Flammen oder Rauch erkennt, handelt sofort.
– Gemeinden und Nachbarschaften müssen gemeinsam Präventionsnetze bilden.
Sicherheit entsteht im Zusammenspiel – nicht im Silo
Schutz von Kirchen bedeutet:
- Werte anerkennen: Diese Orte sind bedeutend – kulturell, historisch, sozial.
- Technik nutzen: moderne Sicherheitslösungen sind heute essenziell, nicht optional.
- Behörden stärken: Polizei und Staatsschutz brauchen korrekte Daten, klare Zuständigkeiten und politische Rückendeckung.
- Öffentlichkeit einbinden: Sicherheit funktioniert nur, wenn Menschen vor Ort hinschauen.
Der Appell
Wir stehen an einem Punkt, an dem Deutschland entscheiden muss, was ihm kulturelle und religiöse Orte wert sind.
Wollen wir zuschauen, wie Kirchen abbrennen – oder wollen wir sie schützen?
Wegsehen ist keine Option.
Nicht für die Sicherheitsbehörden.
Nicht für die Politik.
Nicht für die Technik.
Und nicht für uns als Gesellschaft.

