Honeywell setzt bei der Gebäudeautomation auf eine modulare, offene Systemarchitektur. Als zentrale Management-Ebene dient der Enterprise Buildings Integrator (EBI), der HVAC, Sicherheit, Brandschutz und Energiemanagement in einer einheitlichen Oberfläche vereint. EBI agiert als „Smart-Building-Betriebssystem“, das unterschiedliche Gewerke (Klima, Licht, Sicherheit) zu einem agnostischen IoT-Framework zusammenführt. Auf Geräteebene kommen Niagara-basierte Controller (z.B. Optimizer Suite, CIPer, Spyder) zum Einsatz, die offene Protokolle (BACnet/IP, Modbus, M-Bus etc.) unterstützen und feinkörnige Regelung der Feldebene übernehmen. Über die Honeywell Forge-Plattform (Enterprise Performance Management) fließen Betriebs- und Energiedaten in die Cloud, wo KI-gestützte Analysen (z.B. Sustainability+ für CO₂-Reporting) erfolgen. Benutzer greifen per Web-Interface oder mobilen Apps auf Dashboards und Alarmzentralen zu. Offene Standards und APIs ermöglichen die Integration ins bestehende IT-Netz und Drittgeräte.
Systembereich | Honeywell-Komponenten | Funktion/Merkmale |
---|---|---|
Feld-Ebene | Sensoren/Aktoren, Feld-Controller (CIPer, Spyder, HON-9000) | Erfassung und Regelung von Klima-, Licht- und Energieparametern; Ethernet/IP-fähige Feldgeräte; Unterstützung offener Protokolle (BACnet, M-Bus etc.) |
System-Integration | Niagara Framework (Optimizer Supervisor), EBI (Buildings Integrator) | Zentrale Überwachung und Steuerung aller Gewerke; offene IoT-Plattform mit GIS-Karten; Master-System-Integration (MSI) für Gebäudeautomation und Sicherheit |
Sicherheits- & Zutritts-EB | Pro-Watch Security Suite, Video Manager, Brandmeldetechnik | Integriertes Sicherheitsmanagement: Zugangskontrolle, Videokameras, Alarmsysteme; einheitliches Interface für Gebäudeschutz und Notfallmanagement |
Energiemanagement/Analytik | Honeywell Forge (Performance⁺, Sustainability⁺), E-Mon-Energiezähler | Cloud-gestützte Analyse von Energie-, Wasser- und Nutzerdaten; Echtzeit-Energiedashboards; KI-basierte Verbrauchsoptimierung und Vorhersagen |
IT/Benutzer-Ebene | RBM (Remote Building Manager), Web/Mobile Apps, APIs | Zentrales Monitoring von überall; rollenbasierte Zugriffssteuerung; Alarmierung per E-Mail/Handy; Datenexport für CAFM/ERP-Schnittstellen |
Anwendungsbereiche auf Hochschul- und Gewerbecampus
Auf einem Campus laufen viele Systeme zusammen, die ein integriertes BMS/EMS übernehmen kann. Klima- und Lüftungsanlagen (HVAC) werden zentral geregelt, um Komfort und Energieeffizienz zu optimieren (z.B. Einzelraumregelung, bedarfsabhängige Lüftung). Durch Verknüpfung mit Beleuchtungssteuerung (DALI/LED) lässt sich Tageslichtnutzung maximieren und Energieverbrauch senken. Moderne BMS integrieren Sicherheits- und Schutzsysteme – von Brandmeldeanlagen über Einbruchmeldungen bis hin zu Videoüberwachung und Zutrittskontrolle (Honeywell Pro-Watch) – in eine Plattform. In Lehr- und Verwaltungsgebäuden managt das System zudem Zutrittsberechtigungen, Besucherströme und Notfallalarmierung. Schließlich übernimmt es das energetische Lastausgleichsmanagement: Lastspitzen werden geglättet, Eigenverbrauch von PV oder Speicheranlagen koordiniert, und Verbräuche werden für Reporting und Zertifizierungen erfasst. In komplexen Liegenschaften wie dem neuen DFB-Campus in Frankfurt zeigt sich dieser integrierte Ansatz: Klima, Sonnenschutz (Jalousien) und Beleuchtung wurden so verknüpft, dass ein „perfektes Raumklima“ bei maximaler Energieeffizienz erzielt wird. Da der Campus Büro-, Konferenz- und Sportbereiche vereint, sind flexible Automationslösungen erforderlich.
Vorteile der Integration
Die ganzheitliche Integration aller Gebäudegewerke bringt zahlreiche Vorteile:
- Energieeinsparung: Durch KI-gestützte Regelung von Heizung, Kühlung und Licht lassen sich Verbrauch und CO₂-Emissionen deutlich reduzieren. Honeywell berichtet, dass Kunden mit Forge Energy Optimization nach drei Monaten im Schnitt 10–20 % Energieeinsparung erreicht haben.
- Betriebstransparenz: Ein einheitliches System liefert Echtzeitdaten für alle technischen Anlagen. Kennzahlen (KPIs) zu Energie, Raumklima oder Personenzahl sind übersichtlich auf Dashboards verfügbar. Dies ermöglicht schnelle Analysen und Reporting, z.B. für Zertifizierungen nach ISO 50001 oder EU-Energieeffizienzrichtlinien.
- Vorausschauende Instandhaltung: Durch permanente Zustandsüberwachung und Alarming lassen sich Störungen früher erkennen. Predictive-Maintenance-Algorithmen ermitteln Anomalien (z.B. Kompressor- oder Ventilverschleiß), so dass Wartungsarbeiten gezielt geplant und ungeplante Ausfälle reduziert werden. Dadurch sinken Wartungskosten und Anlagenverfügbarkeiten steigen.
- Nachhaltigkeits- und ESG-Reporting: Das EMS liefert die Datenbasis für Umweltberichte. CO₂-Bilanzen oder Energiekennwerte können automatisch ausgewertet werden, was Corporate-Governance-Anforderungen (ESG-Berichterstattung, EU-Taxonomie) unterstützt. Zudem verfolgt das System Betreibersicht „grüne“ Zielwerte und zeigt den Fortschritt zu Klimazielen an.
- Komfort und Sicherheit: Integrierte Steuerung verbessert das Nutzererlebnis: Raumtemperaturen und Beleuchtung passen sich an die Belegung an, Notfallprozeduren (z.B. Evakuierung) werden automatisch ausgelöst, und Zugangsrechte werden zentral verwaltet. Davon profitieren Studenten, Mitarbeiter und Besucher gleichermaßen.
Beispiele und Praxisprojekte
Zwar sind konkrete Honeywell-Campus-Projekte in Deutschland selten öffentlich dokumentiert, doch internationale Best-Practice-Beispiele veranschaulichen die Potenziale: So berichtet ein britisches Kunstkollegium, durch den Wechsel auf ein integriertes Sicherheitssystem 18.000 Studierende auf einem weitläufigen Campus geschützt zu haben. An einer US-Universität konnten mit LED-Lichttechnik über 10.000 £ jährlich auf einem Parkplatz gespart und die Sicherheit erhöht werden. Ein US-College senkte dank Smart-Building-Technik seine Energiekosten um etwa 20 %. In Deutschland setzen etwa Messegelände, Hochschulen und Forschungscampus vermehrt auf vernetzte Gebäudesysteme. So wird der neue DFB-Campus Frankfurt als Beispiel genannt: Dort steuert eine zentrale Automation Klima, Beschattung und Licht gemeinsam, um optimalen Komfort bei geringem Energiebedarf zu gewährleisten. Das Projekt demonstriert auch die Anforderungen großer Campus-Standorte: Unterschiedliche Gebäudeteile (Büros, Seminarräume, Sporthallen) erfordern individuelle Regelkonzepte, die die Gebäudeleittechnik flexibel abbilden muss.
Integration in bestehende IT-/OT-Infrastrukturen
In Campusumgebungen muss das BMS nahtlos mit IT- und OT-Netzen zusammenarbeiten. Honeywell-Systeme unterstützen hierfür offene Schnittstellen und IP-basierte Konnektivität. Edge-Controller und Gateways bringen Sensordaten per Ethernet oder Funk (WLAN, ggf. Campus-5G) in das IoT-Netz. Über Protokolle wie OPC UA oder MQTT können BMS-Daten in CAFM-/ERP-Systeme oder in Cloud-Dienste eingespeist werden. Wie Honeywell erläutert: „Discover OT edge devices, connect them to the cloud and enable centralized control – regardless of make or model.“ Dies ermöglicht die herstellerübergreifende Anbindung von Bestandsanlagen. Karten-basierte Dashboards (z.B. in EBI) spiegeln den Campus physisch wider, sodass Leitstellen Betriebsdaten übersichtlich auf Plänen anzeigen. Der Datentransport kann verschlüsselt über VPN oder Industrie-Cloud erfolgen. Auf der Netzwerkseite werden meist separate VLANs für BMS und Office-Netz eingesetzt. Das IT-Personal kann so über Firewalls und standardisierte Management-Tools (Active Directory, TLS) die Infrastruktur einheitlich betreiben. Honeywell bietet zudem Cloud-Services wie den Remote Building Manager (RBM) an, der unabhängige Web-basierte Überwachung und Diagnostik ermöglicht. Insgesamt führt die IT/OT-Konvergenz auf dem Campus zu einem «single pane of glass» – alle Systeme sind über das Honeywell-Framework visualisierbar und steuerbar.
Cybersecurity-Aspekte
Bei der campusweiten Integration muss IT-Sicherheit höchste Priorität haben. Gebäudesysteme sind mittlerweile kritische Steuerungen – Angriffe auf BMS können erhebliche Schäden anrichten. So warnt ein Sicherheitsbericht: Über öffentlich erreichbare Web-GUI eines BMS könnten Angreifer Türen sperren/entsperren, Aufzüge steuern oder wichtige Dienste abschalten. Ebenso lassen Manipulationen an Alarm- und Zugangssystemen eine Gefährdung der Gebäudesicherheit zu. Daher sind strikte Schutzmaßnahmen nötig: Netzsegmentierung, dedizierte Firewalls und Intrusion-Detection-Systeme für OT, regelmäßige Penetrationstests und Software-Updates. Honeywell adressiert dies technologisch: Neue Niagara-Controller nutzen durchgehend TLS-Verschlüsselung und rollenbasierte Zugriffskontrolle (RBAC), wobei alle sicherheitsrelevanten Aktionen protokolliert werden. Die Honeywell-Hardware entspricht Industriestandards (z.B. IEC 62443), die als weltweiter Leitfaden für sichere Automatisierungssysteme gelten. Zusätzlich bietet Honeywell „Security Services“ und Zertifizierungsprogramme an, um OT-Umgebungen widerstandsfähig zu machen. Letztlich erfordert eine Campus-Lösung enge Abstimmung zwischen BMS-Integratoren, IT-Abteilung und Sicherheitsbeauftragten. Nur so kann man verhindern, dass Komfort und Effizienz durch Cyber-Risiken erkauft werden.
Fazit: Die Integration von Smart-Campus-Technologien mit Honeywell BMS/EMS-Systemen ermöglicht es, alle technischen Anlagen eines Campus in einem intelligenten Ökosystem zu betreiben. Moderne Architekturen (Niagara/EBI, Forge Cloud) verbinden HVAC, Beleuchtung, Sicherheit und Energiemanagement durch offene Schnittstellen und Analytics. Die Vorteile sind erhebliche Energieeinsparungen, transparentes Facility-Management, proaktive Wartung und bessere Erfüllung von ESG-/Gesetzesvorgaben. Praxisbeispiele – ob international oder im DFB-Campus Frankfurt – verdeutlichen den Nutzen vernetzter Campusautomation. Bei aller Offenheit muss die Cybersecurity gewahrt bleiben: Rollenbasiertes Management, Verschlüsselung und strikte IT/OT-Segmentierung sind Pflicht, um die Integrität des Campus-Netzes zu schützen.
Quellen: Architekturbeschreibungen und Produktinformationen von Honeywell; Honeywell Forge Whitepaper; Honeywell-Bildungslösungen; DFB-Campus-Projektbericht; Sicherheitshinweise zu BMS; ISASecure-Standardinfo.