Überschwemmungen gehören zu den zerstörerischsten Naturkatastrophen unserer Zeit. Doch australische Wissenschaftler haben eine innovative Technologie entwickelt, die mithilfe bestehender Mobilfunkinfrastruktur und künstlicher Intelligenz frühzeitig vor Hochwasser warnt – präzise, nachhaltig und ohne teure Neuinvestitionen. Ein echter Fortschritt für den Katastrophenschutz.
Die zunehmende Häufigkeit und Heftigkeit von Starkregen und Überschwemmungen stellt Katastrophenschutzbehörden weltweit vor große Herausforderungen. Frühzeitige, genaue und lokal differenzierte Warnungen sind entscheidend, um Leben zu retten, Sachschäden zu minimieren und Rettungseinsätze effizient zu koordinieren. Genau hier setzt die neue Technologie der University of Technology Sydney (UTS) an – mit einer intelligenten Nutzung bestehender Mobilfunknetze als Sensoren für drohende Flutkatastrophen.
Mobilfunkwellen als Frühwarnsystem
Das Konzept beruht auf einem einfachen, aber genialen Prinzip: Mobilfunkmasten senden permanent Signale aus, die sich je nach Untergrund unterschiedlich verhalten. Wenn sich Wasser in einer Landschaft ausbreitet, verändert das die Art, wie die Signale reflektiert werden. Die Forscher um Professor Jay Guo haben ein Verfahren entwickelt, um diese Veränderungen präzise zu messen und mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu analysieren.
Die KI wertet die Daten aus und erstellt eine dynamische Visualisierung – ein sogenannter digitaler Zwilling –, der zeigt, wie sich das Wasser in Echtzeit bewegt und in den kommenden Stunden weiter ausbreiten könnte. Grundlage dafür sind topografische Informationen, Bebauungsdaten und Geoinformationen der überwachten Region. Diese Simulationen ermöglichen es, das Geschehen nicht nur zu beobachten, sondern auch vorauszusehen.
Frühzeitige, gezielte und skalierbare Warnungen
Für den Katastrophenschutz ergeben sich daraus gleich mehrere entscheidende Vorteile: Die Warnungen können viel früher als bisher ausgesprochen werden – noch bevor Wasserstände von herkömmlichen Pegelstationen kritische Marken erreichen. Die Vorhersagen sind außerdem lokal sehr genau und berücksichtigen kleinräumige Unterschiede in der Geländebeschaffenheit. Dadurch können gezielt jene Gebiete gewarnt werden, die tatsächlich betroffen sein werden – anstelle großflächiger, oft ungenauer Generalwarnungen.
Gleichzeitig erlaubt das System eine bessere Planung von Evakuierungsmaßnahmen, das gezielte Platzieren von Einsatzkräften und eine effektivere Nutzung von Ressourcen wie Sandsäcken oder Notstromaggregaten. Der Katastrophenschutz kann nicht nur reagieren, sondern vorausschauend agieren – ein Paradigmenwechsel in der Einsatzstrategie.
Bewährte Technologie mit minimalem Infrastrukturaufwand
Ein weiterer entscheidender Vorteil für Behörden ist die Tatsache, dass kein neues physisches Sensornetz aufgebaut werden muss. Die gesamte Überwachung erfolgt über bestehende Mobilfunkmasten. Das spart Kosten, verkürzt die Implementierungszeit und macht die Lösung auch für Regionen mit begrenztem Budget oder schwieriger Topografie attraktiv. Selbst abgelegene Gebiete können so mit relativ geringem Aufwand in ein flächendeckendes Warnsystem integriert werden.
Die Feldversuche an den Flüssen Parramatta und Georges Rivers in Sydney verliefen erfolgreich. Unterstützt durch den Mobilfunkanbieter TPG Telecom konnte das System seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen. Behörden wie der Katastrophenschutzdienst von New South Wales (NSW SES) sehen in der Technologie einen bedeutenden Schritt nach vorn. Die Kombination aus Echtzeitdaten und Vorhersagefähigkeit ermöglicht nicht nur frühzeitige Reaktionen, sondern auch eine effizientere Koordination der Einsätze.
Neue Maßstäbe für den modernen Bevölkerungsschutz
Laut SES-Kommissar Mike Wassing eröffnet diese Technologie neue Möglichkeiten für operative Intelligenz und die Steuerung von Reaktionen in Echtzeit. Die Systeme könnten in Zukunft eine zentrale Rolle in modernen Leitstellen spielen, um Risiken schneller zu bewerten, Einsatzkräfte präziser zu dirigieren und Informationsflüsse besser zu synchronisieren. Auch nach der Katastrophe hilft das System, indem es genaue Daten über den Verlauf des Hochwassers liefert und so bei der Planung von Wiederaufbau und Prävention unterstützt.
Die australische Lösung demonstriert eindrucksvoll, dass effektiver Katastrophenschutz nicht zwangsläufig aufwändige Neuinvestitionen oder technologische Großprojekte erfordert. Stattdessen zeigt sie, wie sich vorhandene Infrastruktur intelligent nutzen lässt, um die Sicherheit von Menschen und Infrastruktur zu verbessern. Die Integration in bestehende 5G-Netze soll in Zukunft die Datenqualität und Geschwindigkeit weiter erhöhen.
Wegbereiter für internationale Anwendungen
Angesichts der globalen Bedrohung durch Wetterextreme hat das System internationales Potenzial. Es könnte besonders dort zum Einsatz kommen, wo ein flächendeckender Aufbau konventioneller Messsysteme nicht realisierbar ist – etwa in Entwicklungsländern, dicht besiedelten Küstenzonen oder Katastrophenhotspots. Die Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit des Systems machen es zu einem Vorbild für einen modernen, intelligenten Bevölkerungsschutz.
UTS-Vizekanzler Professor Andrew Parfitt betont, dass die Zusammenarbeit mit Partnern wie TPG Telecom und der Regierung von New South Wales entscheidend war, um Forschungsergebnisse schnell in die Praxis zu übertragen. Die Technologie sei nicht nur innovativ, sondern einsatzbereit – und bereit, in großem Maßstab Leben zu retten.
Die Verbindung von Mobilfunktechnologie, künstlicher Intelligenz und digitalen Zwillingen markiert einen Meilenstein im Katastrophenschutz. Frühzeitige, präzise und lokal differenzierte Warnungen ermöglichen es Behörden, ihre Reaktionen deutlich effektiver zu gestalten und das Risiko für Mensch und Infrastruktur erheblich zu senken. Das australische System zeigt eindrucksvoll, wie intelligente Technologie in Zeiten des Klimawandels zu einem lebensrettenden Werkzeug werden kann – nicht nur in Australien, sondern weltweit.