Die Universität der Bundeswehr München und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben einen Kooperationsvertrag über die gemeinsame Forschung und Entwicklung für den verbesserten Schutz kritischer Infrastrukturen in Deutschland geschlossen.
Untermauert wird die Zusammenarbeit durch eine enge personelle und räumliche Vernetzung: Prof. Alexander Popp, Leiter des Instituts für Mathematik und Computergestützte Simulation an der Universität der Bundeswehr München, übernimmt die stellvertretende Institutsleitung am DLR-Institut für den Schutz Terrestrischer Infrastrukturen in Sankt Augustin. Darüber hinaus ist eine neue Außenstelle des DLR in Neubiberg geplant, in unmittelbarer Nähe zur Universität. In diesem Rahmen können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität der Bundeswehr München und des DLR gemeinsam an neuen computergestützten Simulationsmethoden und KI-Technologien für Digitale Zwillinge forschen.
Lebensadern moderner Gesellschaften
Kritische Infrastrukturen sind die unverzichtbaren Lebensadern moderner, leistungsfähiger Gesellschaften. Dazu gehören etwa Autobahn- und Eisenbahnbrücken im Verkehrsnetz, Anlagen zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung oder Elektrizitäts- und Telekommunikationsnetze. Akute Bedrohungslagen durch Terrorismus oder Cyberangriffe und dramatische Notsituationen, wie beispielsweise während der Jahrhundertflut 2021, rücken die Frage nach Schutzmaßnahmen ins Zentrum des nationalen Interesses. Zugleich erleben immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens den langersehnten Digitalisierungsschub. Dies zeigt sich insbesondere im verstärkten Einsatz von computergestützten Modellierungen, Simulationen sowie Technologien der künstlichen Intelligenz. Die beiden Forschungs-partner setzen hier an, um kritische Infrastrukturen künftig noch effektiver und umfassend zu schützen.
Digitale Zwillinge als Schlüssel zur Resilienz
Bei kritischen Systemen und Anlagen sind virtuelle Abbilder, sogenannte „Digitale Zwillinge“, besonders wertvoll, da sie über die gesamte Lebensdauer datenunterstützt simulierbar sind. Am DLR-Institut für den Schutz Terrestrischer Infrastrukturen wird diese Technologie bereits intensiv erforscht. Digitale Zwillinge lassen sich im Gegensatz zu klassischen Simulationsmodellen durch Sensordaten ständig adaptieren, aktualisieren und weiterentwickeln. Sie werden dadurch für vielfältige Aufgaben in Optimierung, Echtzeit-Prognose und Monitoring einsetzbar. Bei geeigneter Ausgestaltung können Digitale Zwillinge eine Schlüsselrolle für das Resilienz-Management kritischer Infrastrukturen einnehmen. Resilienz ist die Fähigkeit eines Systems, mit den Auswirkungen unspezifischer und möglicherweise unvorhergesehener Störungen umzugehen. Diese Fähigkeit hängt von der Verfügbarkeit und dem Ausmaß einer Reihe von Fähigkeiten und Strategien ab.
Bislang werden physikbasierte Simulationsverfahren und datenbasierte Ansätze zumeist als Gegenpole aufgefasst. In Sankt Augustin und Neubiberg werden die Forschungspartner hingegen das brandaktuelle Konzept des „hybriden“ Digitalen Zwillings aufgreifen und weiterentwickeln. Dadurch sollen die Vorzüge der jeweiligen Methoden miteinander vereint werden. Künftig könnten dann zum Beispiel Berechnungen aus parame-trischen Simulationsmodellen mit direkten Sensordaten und Expertenwissen abgeglichen und verknüpft werden.
Einzigartige Forschungslandschaft und Synergieeffekte
Die Universität der Bundeswehr München und das DLR bündeln ihre Kräfte in der Sicherheitsforschung und ermöglichen somit Synergieeffekte, die weit über das jeweils eigene Forschungsprofil hinausgehen. Michael Langerbeins, kommissarischer Direktor des DLR-Instituts für den Schutz Terrestrischer Infrastrukturen, betont: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Prof. Popp und den vielen weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an der Universität der Bundeswehr München, die unser junges Institut enorm bereichern wird. Moderne Simulationsmethoden und KI-Technologien sind wesentliche Schlüsselelemente, um kritische Infrastrukturen in Deutschland weitreichend zu schützen und die Resilienz gegenüber unterschiedlichsten Bedrohungslagen zu erhöhen.“
Von Seiten der Universität wird eine umfassende Forschungslandschaft in der Sicherheitsforschung mit in die Kooperation eingebracht, welche sich in den letzten zehn Jahren zu einem deutschlandweit anerkannten Aushängeschild der Hochschule entwickelt hat. Hierzu zählt allen voran das Forschungszentrum RISK – Risiko, Infrastruktur, Sicherheit, Konflikt. Aber auch das Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr (dtec.bw) etabliert sich seit seiner Gründung 2020 immer mehr als Keimzelle für Spitzenforschung.
Für die Forschungskooperation mit dem DLR spielt vor allem das inter-disziplinäre Projekt RISK.twin eine entscheidende Rolle, wie Projektleiter Prof. Popp bei der Vertragsunterzeichnung erklärt: „Durch die breiten Kompetenzen aus unserem klassischen Fakultätsportfolio, allen voran aus der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften, durch das Forschungszentrum RISK, durch unser innovatives dtec.bw Projekt RISK.twin und nun eben durch die enge Kooperation mit dem DLR entsteht zwischen Sankt Augustin und Neubiberg ein einzigartiges Ökosystem für Forschung und Entwicklung zum Schutz kritischer Infrastrukturen. Den Aufbau dieses Ökosystems für ein Forschungsthema von nationalem Interesse wissenschaftlich mitgestalten zu dürfen, ist ein außerordentliches Privileg.“
Die ersten gemeinsamen Forschungsthemen dazu sind gesetzt. Die Universität der Bundeswehr München und das DLR werden unter anderem Simulationsmodelle mit reduzierter Komplexität für kritische Infrastrukturen entwickeln und in das Konzept des Digitalen Zwillings integrieren. Im Vergleich mit klassischen, rein Sensordatenbasierten KI-Technologien erhoffen sich die beiden Partner dadurch eine deutlich verbesserte Vorhersage bei der Analyse von Risikoszenarien und bei der Resilienz-Bewertung kritischer Infrastrukturen – für ein unmittelbares Mehr an Sicherheit für Staat und Gesellschaft.
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