Die Dynamik in der IT-Welt schafft ein Umfeld, in dem Chancen und Risiken enger denn je miteinander verwoben sind. Vor diesem Hintergrund entstehen neue Möglichkeiten – von deutlich gesteigerter Produktivität bis hin zu vollständig neu gedachten Geschäftsmodellen – aber auch ernstzunehmende Herausforderungen für die Sicherheit, Governance und Ethik. Im Jahr 2026 erreicht der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine neue Reifephase, in der KI nicht mehr als separate Technologie betrachtet wird, sondern als grundlegende Ebene moderner IT-Architekturen. Eduardo Crespo, Vice President EMEA bei PagerDuty, sieht diese Entwicklung als Ausgangspunkt für die wichtigsten Prognosen, die das IT-Jahr 2026 bestimmen werden:
Europa wird erneut zum Wachstumsmotor
Auch wenn die Wachstumsprognosen für 2026 moderat ausfallen – Europa hat durchaus die Chance, wieder zum Wachstumsmotor zu werden und der Dominanz der USA etwas entgegenzusetzen. Wenn sich die Inflation weiterhin stabilisiert und wie prognostiziert in den nächsten zwei Jahren bei ca. zwei % einpendelt, dann werden europäische Unternehmen ihre bislang aufgeschobenen Investitionsentscheidungen in neue Technologien wie GenAI und KI-Agenten in die Tat umsetzen. Damit wird die digitale Transformation auch in Europa noch mehr an Fahrt gewinnen. Europa kann 2026 und in den darauffolgenden Jahren wieder Wachstumsimpulse setzen und eine führende wirtschaftliche Rolle einnehmen, wenn es gelingt, die politischen Rahmenbedingungen für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen, Investitionen zu steigern und externe Risiken wie Handelskonflikte zu minimieren.
Unternehmen korrigieren ihre Personalstrategie
Der Einsatz von KI verändert die Anforderungen an Mitarbeitende grundlegend. Die Technologie stellt unsere Arbeitswelt, wie wir sie jahrzehntelang kannten, in einem atemberaubenden Tempo auf den Kopf. Doch 2026 wird sich zeigen, dass manche Unternehmen vorschnell gehandelt und wertvolle Arbeitskräfte übereilt entlassen haben. Sie werden einen Teil der Mitarbeitenden wieder zurückholen und eventuell neue Kandidaten mit spezifischen KI-Kenntnissen neu einstellen, um ihre ambitionierten Ziele bei der Implementierung von KI-gestützten Systemen zu realisieren und auszuweiten. Dabei kommt der kontinuierlichen Weiterbildung und -entwicklung der Mitarbeitenden eine Schlüssel- rolle zu.
DORA-Verstöße – von der Überwachung zum Vollzug
Die seit Januar 2025 EU-weit geltende DORA-Verordnung (Digital Operational Resilience Act) legt für Akteure im Finanzsektor klare Regeln für das Management von IT-Risiken fest – auch durch Drittanbieter, die Meldung von Vorfällen, die Durchführung von Sicherheitstests sowie den Austausch von Informationen zum Schutz vor Cyberrisiken.
DORA stellt sicher, dass Verstöße gegen die digitale operationale Widerstandsfähigkeit konsequent geahndet werden, um die Stabilität des Finanzsektors zu gewährleisten und Reputationsschäden zu vermeiden. Die Verordnung sieht ein strenges Sanktionssystem und empfindliche Geldbußen vor. Für die Einhaltung und den Vollzug ist in Deutschland die BaFin zuständig. Deutsche und europäische Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre operative Resilienz nicht nur dem Standard entspricht, sondern auch reaktionsfähig ist. Seit Inkrafttreten von DORA wurde zunächst auf Überwachung, Prüfung und Verwarnung gesetzt. Das dürfte sich im kommenden Jahr jedoch ändern: Im Wiederholungsfall und bei schwerwiegenden Verstößen werden die Behörden 2026 mehr und mehr dazu übergehen, den Sanktionsrahmen auch konsequent zu nutzen und u.a. Geldbußen zu verhängen.
Ethik und Regulierung prägen die nächste Phase der KI-Einführung
Je vernetzter Unternehmen agieren und je tiefer KI-gestützte Systeme in den Arbeitsalltag integriert werden, umso klarer wird die Notwendigkeit, die weitere Entwicklung verstärkt unter ethischen Aspekten voranzubringen. Europäische Regierungen und Unternehmen werden 2026 ihren Fokus zunehmend auf den ethischen Einsatz von KI legen, um das Vertrauen ihrer Kunden zu sichern. Auch wenn KI-Modelle zunehmend autonom handeln, muss jederzeit nachvollziehbar sein, welche menschliche Instanz für Entscheidungen haftet und wie Fehlverhalten oder Verzerrungen korrigiert werden.
Unternehmen werden sicherstellen, dass Mitarbeitende über ausreichende KI-Kompetenz verfügen, um Risiken verantwortungsvoll zu managen: Transparenz, Fairness, Datenschutz und Schutz vor Diskriminierung müssen gewährleistet sein, da KI-Systeme bestehende Biases verstärken oder sensibelste Daten verarbeiten können. Regulierungen wie der EU AI Act setzen dafür Mindeststandards, doch die Vorschriften werden sich weiterentwickeln, um den immer neu entstehenden Herausforderungen gerecht zu werden.
Der Weg zum vollständig KI-gesteuerten Unternehmen
Eine Prognose, die über das Jahr 2026 hinausgeht, nimmt Bezug auf die Frage, wie weit der Einsatz von KI-Tools in Unternehmen gehen wird. KI-Agenten, die immer enger mit Menschen zusammenarbeiten und sich dadurch täglich verbessern, werden in naher Zukunft alle zentralen operativen Geschäftsabläufe orchestrieren – von der Produktentwicklung über die Robotersteuerung bis hin zu Kundeninteraktionen. Doch nicht nur operativ, sondern auch strategisch wird KI eine immer größere Rolle spielen, wie z.B. bei der Entwicklung von Innovationen oder der Gestaltung der Kundenerfahrung. Das Vertrauen in die KI bleibt jedoch auch in den kommenden Jahren essenziell für erfolgreiche, KI-gesteuerte Unternehmen.
Eduardo Crespo ist VP EMEA bei PagerDuty. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Investment Banking, in der Strategieberatung und innovativen Cloud- und Softwarelösungen. Zuletzt war Eduardo Crespo Teil der Management-Teams von Medallia, einem führenden SaaS-Unternehmen im Bereich Experience Management, und begleitete das Unternehmen von der Serie-C-Finanzierung bis zum Börsengang an der NYSE.

